Der vergessene Termin

Coach Colleen war eine ambitionierte Selbständige mit einem Ruf für exzellentes Zeitmanagement. Sie liebte es, große Ziele in kleine machbare Schritte zu zerlegen und an ihrer Vision zu arbeiten. Sie war reflektiert, verantwortungsvoll und gewissenhaft. Doch auch sie war nur ein Mensch. Ein Mensch, der Fehler machte und auch dann und wann in ungünstige Denkmuster verfiel. So kam es zu Selbstvorwürfen und kognitiven Verzerrungen, die eine Lösungsfindung erschwerten. Doch Colleen schaffte es als smarte Gehirnbenutzerin, diese Muster aufzudecken und durch hilfreichere Handlungsweisen zu ersetzen. Schauen wir uns eine entsprechende Situation an.

Situation

Es kroch ein unangenehmes Gefühl durch unsere Akteurin Colleen hindurch, denn sie stellte soeben mit Erschrecken fest, dass sie zum zweiten Mal das Treffen mit einem ihrer Mentoren verschusselt hatte. Das sah ihr nicht ähnlich, denn Zuverlässigkeit war ihr sehr wichtig und sie sorgte mit gutem Timemanagement dafür, dass sie strukturiert und vorbereitet in ihre Termine ging. Aber diesmal war es anders, denn sie hatte sich vor kurzem selbstständig gemacht und die Routine am Montag hatte sich noch nicht komplett im Kalender niedergeschlagen. Sie hatte den besagten Termin schon vor ein paar Wochen ausgemacht und nun nicht noch mal in den Kalender geschaut. Es war ihr furchtbar unangenehm! Was tun? Sie konnte fast hören, wie ihr Gehirn in den üblichen Automatismus verfiel und die verschiedenen Teile ihres Gehirns in einen humorvollen Dialog traten.

Hirndialog

Der Frontallappen, der Planer, war der Erste, der sich zu Wort meldete. „Leute, wir haben ein Problem. Unsere Chefin hat das Mentor-Meeting verschusselt – zum zweiten Mal! Das ist ein Déjà-vu mit extra Peinlichkeit.“

The Amygdala (Die Drama-Queen) “Das ist eine Tragödie! Schnell, es muss eine Ausrede her! Tu doch etwas!”

Frontallappen: Wir sind natürlich nicht daran schuld, das ist ja klar! Wir können nichts dafür, weil … weil es heute regnet… und außerdem haben wir nicht genug Schlaf bekommen…

Amygdala: “Und wie sollen wir uns ohne Kaffee überhaupt an irgendetwas erinnern…? Das war ja klar, dass sie das verschusselt! Was denkt sie sich dabei, sie und selbständig, das konnte ja nicht gut gehen!

Frontallappen: “Tja, ich hatte ja genug Gründe dagegen angeführt, hättet ihr auf mich gehört, dann wäre das nicht passiert, ich wollte Euch davor beschützen!…

Hippocampus (Der Nostalgiker): “Erinnert ihr euch an das letzte Mal, als wir uns so gefühlt haben? Wir haben es nur geschafft, indem wir zu Stein erstarrt sind und uns unter dem Schreibtisch versteckt haben.”

Frontallappen: “Okay, wir brauchen einen Notfallplan. Wir rufen den Mentor an und formulieren eine clevere Entschuldigung.”

Hippocampus: “Genau, wir sagen einfach wie damals im Physikunterricht: ‘In einem anderen Universum habe ich den Termin nicht vergessen!’”

Sprachzentrum (Der Wortakrobat): “‘Sehr geehrter Mentor, ich habe den Termin verbummelt, weil ich an einer bahnbrechenden Erfindung gearbeitet habe – bitte verzeihen Sie meine Genialität.’”

Hippocampus: “Und wenn das nicht funktioniert, haben wir immer noch das interpretative Tanzen in der Hinterhand. ‘Der verlorene Termin’ als Ballett – das wird ein Hit!”

Amygdala: “Seid ihr verrückt? Wir können doch nicht zugeben, dass wir Schuld sind..! Was soll er von uns denken?!”

Analyse der Denkfehler

In dem vorgestellten Dialog zwischen den verschiedenen Gehirnregionen von Colleen können wir auf unterhaltsame Weise lernen, wie unterschiedliche Teile unseres Gehirns auf Stresssituationen reagieren können.

Der Frontallappen, der für die Planung und Entscheidungsfindung zuständig ist, erkennt das Problem und sucht nach einer Lösung. Das Sprachzentrum, das unsere Fähigkeit zur Sprachverarbeitung repräsentiert, schlägt eine kreative Entschuldigung vor. Die Amygdala, die unsere emotionalen Reaktionen steuert, neigt dazu, die Situation zu dramatisieren. Der Hippocampus, verantwortlich für unser Gedächtnis, erinnert an frühere Erfahrungen.

Denkfehler, die hier erkennbar sind, beinhalten die Tendenz, auf Schuldzuweisung als Abwehrmechanismus zurückzugreifen, anstatt sich direkt mit dem Problem auseinanderzusetzen. Es zeigt auch, wie leicht es ist, in die Falle der Überdramatisierung zu tappen, was die Lösungsfindung erschweren kann. Letztendlich zeigt uns dieser Austausch auch, dass wir manchmal dazu neigen, lieber kreative Ausreden zu suchen, als uns der Situation ehrlich zu stellen.

Welche Schritte helfen uns in einem solchen Fall? Wir sollten zunächst unsere kognitiven Verzerrungen erkennen, dann eine neutralere Haltung einnehmen und schlussendlich lösungsorientiert handeln. Hacks, die uns dabei helfen können, sind zum Beispiel:

Sehen wir uns an, wie das in der aktuellen Geschichte als gehirnfreundliche Alternative umgesetzt werden kann.

Gehirnfreundliche Alternative

Colleen schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass Ausreden und Selbstmitleid sie nicht weiterbringen würden. Sie musste Verantwortung übernehmen und die Situation mit Anstand meistern. Sie pausierte ihr Kopfkino und mit einem tiefen Atemzug sprach sie:

„Jetzt seid bitte alle still! Es ist passiert, und wir übernehmen die Verantwortung dafür. Ihr verallgemeinert. Tatsächlich haben wir schon viel erreicht und unsere Termine haben wir sonst immer eingehalten. Wir haben Beweise dafür. Ich werde mich aufrichtig entschuldigen und erklären, was passiert ist, ich werde keine Ausreden suchen. Wir übernehmen Verantwortung, das ist eine Möglichkeit um zu zeigen, dass wir unsere Fehler eingestehen. Dann werden wir Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass dies nicht wieder vorkommt. Wir werden ab Montag immer beide Kalender überprüfen. Wir werden grundsätzlich Termine für die Selbstständigkeit nur am Montag ansetzen. Ich schreibe die Entschuldigung jetzt sofort, präfrontaler Cortex, du lieferst mir die Fakten, und alle anderen halten sich zurück!“

Gesagt, getan! Es war ein Moment der Wahrheit für Colleen, ein Test ihrer Integrität und ihres Mutes. Sie schrieb ohne Umschweife: “Es tut mir aufrichtig leid. Ich habe unseren Termin vergessen, und das ist allein meine Schuld. Ich schätze Deine Zeit sehr und bitte um eine neue Chance.“

Die Antwort des Mentors ließ nicht lange auf sich warten! Amygdala meldete sich sofort und drückte den Panikknopf: „ Was ist, wenn er uns nicht mehr mag und uns das auch spüren lässt? ..“ Colleen öffnete die email und laß versöhnliche Worte von einem reflektierten Menschen, der sie so sah, wie sie war: als Mensch, der Fehler macht -auch zweimal- und der deswegen nicht per se aufgegeben werden muss! Die Antwort, die sie erhielt, war warm und verständnisvoll, viel mehr, als sie verdient hatte. Ihr Mentor schätzte ihre Ehrlichkeit und bot an, das Treffen zu verschieben. Colleen atmete erleichtert auf und versprach sich selbst, dass dies das letzte Mal war, dass sie einen Termin ‚verschusseln‘ würde.

Ihre alternative Handlungsweise hatte sie gelehrt, das eine aufrichtige Entschuldigung bei Fehlern einen nicht schwächer macht, dass man sich dadurch selbst in die Augen schauen kann, besser als wenn man es sich schönredet oder sich selbst fertig macht. In diesem Kapitel lernte Colleen eine wertvolle Lektion über die Bedeutung von Verantwortung und die Kraft der Ehrlichkeit. Es war ein Tag, der in ihrem Gedächtnis bleiben würde, nicht wegen des Fehlers, den sie gemacht hatte, sondern wegen der Art und Weise, wie sie ihn als smarte Gehirnbenutzerin korrigierte.

In unseren Hirndialogen dramatisieren wir unsere Probleme oft und verlieren die Realität aus den Augen. Die Lösung, den Mentor zu kontaktieren und um einen Ersatztermin zu bitten, zeigt, dass trotz der unangenehmen Situation ein praktischer und direkter Ansatz oft der effektivste Weg ist, um ein Problem anzugehen und es nicht größer werden zu lassen.